Medienrecht und Medienethik

GASTBEITRAG VON ALEXANDER WARZILEK

Medien kontrollieren Staat und Gesellschaft. Sie sind „Watchdogs“ im Interesse der Allgemeinheit. In einer Demokratie müssen sich aber auch die Medien kontrollieren lassen. Diese Kontrolle erfolgt zum einen durch die Gerichte, die für die Vollziehung des Medienrechts zuständig sind, und zum anderen durch den Österreichischen Presserat, der an der Medienethik anknüpft.

Medienrecht ist eine sehr umfassende Materie. Es reicht von den Voraussetzungen für eine Lizenz für ein Fernseh- oder Radiounternehmen über die Medienförderung (staatliche Zuschüsse für Journalismus) bis zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Personen, über die in den Medien berichtet wird.

Medienrecht (was ist rechtlich erforderlich?) und Medienethik (wie sollen sich Journalist:innen verhalten und wie formuliert man als Journalist:in verantwortungsvoll?) sind zwei voneinander abgegrenzte Bereiche. Das Medienrecht beantwortet die Frage „Wie muss man sich verhalten?“, die Medienethik dagegen „Wie soll man sich verhalten?“.

Medienethik reicht grundsätzlich weiter und stellt höhere Anforderungen an die Medien als die Rechtsordnung. So ist z.B. die Diskriminierung einer gesellschaftlichen (Rand-)Gruppe in einem Artikel medienethisch verwerflich, (zivil-)rechtlich aber nur schwer verfolgbar. Auch bei der Suizidberichterstattung ist die Medienethik strenger und berücksichtigt auch auf die Gefahr, dass durch eine detailgetreue Beschreibung eines Suizids andere suizidgefährdete Personen dazu verleitet werden könnten, auf ähnliche Weise Suizid zu begehen.

Beim Persönlichkeitsschutz (dem Schutz des Einzelnen vor Eingriffen in dessen Persönlichkeit durch die Medien) gibt es starke Überlagerungen zwischen Medienrecht und Medienethik. Die wichtigsten Bereiche des Persönlichkeitsschutzes sind der Schutz der Privat-/Intimsphäre, der Schutz der Menschenwürde, der Schutz der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes, der Schutz der Unschuldsvermutung sowie der Bildnisschutz.

Medienselbstkontrolle durch den Presserat

Selbstkontrolle (durch den Österreichischen Presserat) hat gegenüber behördlicher Kontrolle durch den Staat den Vorteil, dass dadurch die nötige Distanz zum Staat gewahrt bleibt und die Unabhängigkeit der Medien gestärkt wird.

Der Presserat ist für die Kontrolle der Printmedien und deren Webseiten sowie für die nichtkommerziellen privaten Rundfunksender zuständig. Er sorgt für die Sicherung der redaktionellen Qualität und fördert verantwortungsvollen Journalismus. Die folgenden sechs Journalist:innen- und Verlegerorganisationen sind die Träger des Presserats: die Journalist:innengewerkschaft gpadjp, der Verband Österreichischer Zeitungen, der Presseclub Concordia, der Regionalmedienverband, der Fachmedienverband und der Verein der Chefredakteure.
Die Selbstkontrolle des Presserats üben drei unabhängige und weisungsfreie Senate mit jeweils elf Mitgliedern (davon zehn Journalistinnen und Journalisten) aus. Die Senate bewerten einzelne Artikel nach medienethischen Grundsätzen, die im Ehrenkodex für die österreichische Presse festgelegt sind.

Die wichtigsten Punkte des Ehrenkodex betreffen:

  • die Verpflichtung zur Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten;
  • den bereits zuvor erwähnte Persönlichkeitsschutz (u.a. Schutz der Menschenwürde, Ehre und Intimsphäre);
  • ein Diskriminierungsverbot (z.B. von Frauen, Migrant:innen oder gesellschaftlichen Randgruppen);
  • das Verbot von Einflussnahmen von außen auf redaktionelle Beiträge (aus dem die Senate auch die Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten ableiten);
  • die Zurückhaltung bei der Suizidberichterstattung.

Ablauf des Presseratverfahrens

Jede Leserin und jeder Leser kann eine schriftliche Mitteilung über einen Artikel an den Presserat machen (ein kurzes E-Mail genügt) und eine medienethische Überprüfung anregen. Der zuständige Senat des Presserats entscheidet dann, ob er es für notwendig hält, wegen des Artikels ein Verfahren einzuleiten. Das Verfahren ist kostenlos. In Ausnahmefällen starten die Senate eigenständig – also ohne Eingabe von außen – ein Verfahren, nämlich dann, wenn ein besonders gravierender medienethischer Verstoß zur Diskussion steht und sich niemand deswegen an den Presserat gewandt hat. Man spricht in diesem Zusammenhang vom „Selbstbefassungsrecht“ der Senate. Im Falle eines Verfahrens wird das betroffene Medium eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben. Etwaige Ethikverstöße stellen die Senate in Entscheidungen fest. Diese Entscheidungen werden auf der Webseite des Presserats (www.presserat.at), in den sozialen Medien und mittels Presseaussendung publik gemacht. Zahlreiche Zeitungen berichten über die Entscheidungen und die Ethikverstöße.

Die Entscheidungen des Presserats haben in erster Linie Mahn- und Appellcharakter, aber auch eine gewisse „Prangerwirkung“. Für die betroffenen Medien ist es durchaus schmerzhaft, wenn ein unabhängiges Fachgremium der Branche einen Ethikverstoß aufzeigt. Durch die Bekanntgabe seiner Entscheidungen möchte der Presserat zudem einen öffentlichen Diskurs über medienethische Probleme in Gang bringen. Der Diskurs soll nicht nur in der Branche, sondern auch in der Allgemeinheit stattfinden. Anders als die Gerichte kann der Presserat keine Strafen aus- bzw. Schadenersatz zusprechen.

Ethikverstöße – Beispiele

Die Senate des Presserats stellten u.a. in diesen Fällen Ethikverstöße fest: wegen eines redaktionell aufbereiteten Artikels über „trendige Möbel für das Kinder- und Jugendzimmer“ mit überwiegend Werbesprache, der nicht als Werbung gekennzeichnet wurde; wegen eines erfundenen Interviews mit der Witwe eines Mordopfers; wegen eines Artikels über einen Obsorgerechtsstreit, in dem die Kinder wegen verschiedener detaillierter Angaben für ein gewisses Umfeld identifizierbar waren; wegen der Veröffentlichung eines Videos, das einen Sportler beim Blutdoping zeigt; wegen der Bezeichnung von Conchita Wurst als „verhaltensgestört“ und „krank“; wegen der Veröffentlichung eines Videos über die Ermordung von fünf Mitgliedern einer Drogenbande in Mexiko; wegen Berichten über Details zur brutalen Ermordung eines tschetschenischen Kindes; wegen der Bezeichnung „Ungeziefer“ für die Gruppe der Einbrecher; wegen des Vergleichs von Flüchtlingen mit Ratten; wegen der bloßen Spekulation, dass eine Gruppe von Vergewaltigern Roma und Sinti sein könnten; wegen der detaillierten Schilderung des Suizidhergangs von DJ Avicii; wegen der Veröffentlichung von Bildern trauernder Angehöriger bei einem Begräbnis eines Mordopfers; wegen der Veröffentlichung eines Videos, das die Ermordung einer Frau durch einen Terroristen zeigt; wegen der Veröffentlichung eines Bildes, auf dem ein zusammengebrochener Fußballer während eines EM-Spieles zu sehen ist; wegen eines sexistischen Artikels über eine Tischtennisspielerin.

Keine Verstöße waren: die Bezeichnung von Bundeskanzlerin Bierlein als „High-Class-Oma“ in einem Kommentar; eine vernichtende Kritik eines auch im Internet außergewöhnlich schlecht bewerteten Restaurants; die Veröffentlichung von Bildern von mutmaßlichen Jugendstraftätern zu Fahndungszwecken; die Veröffentlichung eines Fotos, auf dem der Vizekanzler beim Burger-Essen zu sehen ist.

Der Presserat nimmt ferner zu grundsätzlichen Fragen zur Pressefreiheit Stellung und organisiert Veranstaltungen zu diesem Thema.

Alexander Warzilek, Geschäftsführer Österreichischer Presserat


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